Stärkung der Demokratie: Landtagspräsidenten beschließen Westfälische Erklärung

 

Die Präsidentinnen und Präsidenten der 30 deutschsprachigen Landtage aus Deutschland, Österreich, Südtirol und der deutschsprachigen Gemeinschaft in Belgien haben bei ihrer jüngsten Konferenz in Ostwestfalen-Lippe eine gemeinsame Erklärung zur Stärkung der Demokratie verabschiedet. Mit der „Westfälischen Erklärung“ vereinbaren die Spitzen der Parlamente, mit Angeboten der politischen Bildung und mit Kommunikation die Demokratie zu stärken. An der Konferenz nahmen für Rheinland-Pfalz Landtagspräsident Hendrik Hering und die Direktorin beim Landtag, Ursula Molka, teil.

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Ein weiterer Schwerpunkt der Konferenz war auf Initiative des rheinland-pfälzischen Landtags die Erinnerungs- und Gedenkstättenkultur.Landtagspräsident Hendrik Hering berichtete auf der Konferenz über „Best Practice-Beispiele der Erinnerungs- und Gedenkkultur der Landesparlamente im Bereich der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus, der Bekämpfung von Antisemitismus oder der Förderung jüdischen Lebens“.

Grundlage der Westfälischen Erklärung sind Gutachten, die auf der Konferenz vorgestellt wurden. Der Politikwissenschaftler Professor Karl-Rudolf Korte hat erforscht, warum Bürgerinnen und Bürgern nicht an Wahlen teilnehmen. Als Gründe nannte er unter anderem fehlende Kenntnisse über die Demokratie und die Landespolitik, Frustration, keine Änderungen herbeiführen zu können und eine geringe Politik-Passion. Eine Studie der Bertelsmann-Stiftung zu Verschwörungsnarrativen kam zu dem Ergebnis, dass etwa zwölf Prozent der Befragten Verschwörungstheoretiker sind und fast ein Drittel der Befragten glaubt, dass geheime Organisationen Einfluss auf die Politik haben. Die Studien verbindet die Erkenntnis: Politisches Wissen stärkt die Demokratie. Es fördert Wahlbeteiligung und wirkt gegen Verschwörungsmythen. Daraus leitet die Konferenz einen Auftrag ab:Gemeinsam mit allen Landtagen dieDemokratiebildung stärken. Dazu rief auch der frühere Bundespräsident Dr. Joachim Gauck die Präsidentinnen und Präsidenten auf. Er wies in Ostwestfalen auf den Zusammenhang von Freiheit und Verantwortung hin und sagte, die Demokratien würden von außen und innen bedroht – von Diktatoren, die westliche Freiheit ablehnten, und von innen von Extremisten.

Zentrale Aussagen der „Westfälischen Erklärung“ sind:

  • Die Präsidentinnen und Präsidenten der Landesparlamente stimmen darin überein, dass dauerhaft niedrige Wahlbeteiligungen eine Gefahr für die Demokratie und eine Aufforderung für eine weitere Verstärkung der vitalen Vermittlungsarbeit der Parlamente sind. Auch wenn die Bürgerinnen und Bürger weiterhin mit großer Mehrheit die parlamentarische Demokratie als politisches System unterstützen, so müssen die Parlamente ihre Verantwortung für die Verteidigung der Demokratie übernehmen.
  • Die parlamentarischen Demokratien stehen von innen und außen unter Druck. Die multiplen Krisen unserer Zeit – von der Corona-Pandemie mit ihren gesellschaftlichen Verwerfungen bis zu Energieknappheit und steigender Inflation auch als Folge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine – haben das Potenzial, einen Vertrauensverlust in Politik, Staat und Institutionen zumindest von Teilen der Bevölkerung zu fördern. Die Präsidentinnen und Präsidenten der Parlamente haben aufgrund ihrer besonderen verfassungsrechtlichen Verantwortung den Auftrag zum Schutz der Demokratie. Sie warnen daher vor der Gefahr der Radikalisierung kleiner Gruppen der Gesellschaft, die die parlamentarische Demokratie offen ablehnen.
  • Gerade in einer sich ausdifferenzierenden Gesellschaft haben Parlamente die Funktion, durch transparente, nachvollziehbare Verfahren unterschiedliche Interessen zu Gehör zu bringen und demokratisch legitimierte  Entscheidungen herzustellen. Den Parlamenten und ihren Präsidentinnen und Präsidenten kann zudem eine integrative Funktion zukommen, wenn sie sich zu für die Demokratie elementaren politischen Fragen positionieren. Diese überparteiliche Position entwickelt eine Kraft zur Konsensbildung in der Gesellschaft.
  • Tag der Demokratie: Um Landespolitik noch sichtbarer zu machen, streben die Präsidentinnen und Präsidenten der Landesparlamente an, jährlich den 15. September (Internationaler Tag der Demokratie), alternativ den 30. Juni (Internationaler Tag des Parlamentarismus), zu begehen.
  • Erlebnis Demokratie: Das direkte Erleben der parlamentarischen Willensbildung prägt eine positive Haltung zur Demokratie bei den Besucherinnen und Besuchern der Landesparlamente. Sie werden zu Multiplikatorinnen und Multiplikatoren über den Besuch hinaus. Die Angebote der Demokratiebildung werden überprüft und, soweit möglich und sinnvoll, ausgebaut.
  • Niedrigschwellige Angebote: Neben dem Angebot zum Besuch parlamentarischer Sitzungen treten niedrigschwellige Angebote aus Unterhaltung und Information hinzu, wie zum Beispiel Diskussions- und Dialogveranstaltungen, Tage der offenen Tür, zielgruppengerechte Führungen (z.B. für Migrantinnen und Migranten und/oder junge Menschen), digitale und Smartphone-Touren, Rollenspiele, Ferienangebote, Informationen in Leichter Sprache und für Erstwählerinnen und Erstwähler

Hintergrund:

Das Gremium ist vergleichbar mit der Ministerpräsidentenkonferenz und koordiniert die Interessen der Landesparlamente. Die Präsidentinnen und Präsidenten tagen regelmäßig unter jährlich wechselnder Federführung und erörtern aktuelle Herausforderungen der Landtage, Fragen des Föderalismus und die Position der Landesparlamente in Europa.

Die aktuelle Konferenz tagte von Sonntag, 18. Juni, bis Dienstag, 20. Juni 2023, in Ostwestfalen.