Es gibt Fortschritte, aber noch viel zu tun

OECD-Studie: Gemischtes Bild bei LGBTI-Gleichstellung in Deutschland

Insgesamt gibt es einen positiven Trend beim Umgang mit queeren Menschen in der Bundesrepublik. Es gebe aber noch weiter Handlungsbedarf.

 

Deutschland ist für queere Menschen kein Paradies, aber auch nicht die Hölle (Bild: Wolfgang Schmidt / twitter)

In Deutschland gibt es ein durchwachsenes Bild hinsichtlich der Diskriminierung von queeren Menschen. Laut der am Mittwoch veröffentlichten OECD-Studie „The Road to LGBTI+ Inclusion in Germany – Progress at the Federal and Länder Levels“ sind zwar deutliche Fortschritte bei dem Bemühen sichtbar, solche Diskriminierung zu verhindern. Allerdings gebe es weiterhin auch verbreitet negative Einstellungen gegenüber queeren Menschen – mit deutlichen Unterschieden von Bundesland zu Bundesland. Betroffene würden zum Opfer von Benachteiligung und Gewalt.

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat für ihre Studie sowohl rechtliche Rahmenbedingungen als auch konkrete Erfahrungen untersucht. Es handelt sich demnach um den ersten Länderbericht zur LGBTI-Inklusion.

Die gesellschaftliche Akzeptanz von queeren Menschen ist in Deutschland der Studie zufolge weiterhin ausbaufähig. Demnach gaben lediglich 59 Prozent an, kein Problem damit zu haben, wenn die Schwiegertochter oder der Schwiegersohn lesbisch oder schwul ist. Regional wurden allerdings erhebliche Unterschiede festgestellt.

Bremen ist am queerfreundlichsten, Sachsen am queerfeindlichsten

So lag der Zustimmungswert demnach in Bremen bei 74 Prozent, in Sachsen aber nur bei 50 Prozent. Bei trans- oder intersexuellen Menschen sank die Zustimmung bundesweit auf 45 Prozent. Allerdings nahm die geäußerte Akzeptanz der Studie zufolge insgesamt im Vergleich zu 2015 zu.

Diese Umfragedaten zeigen, wie die Bevölkerung der Länder auf gleichgeschlechtliche Küsse bzw. Regenbogenfamilien reagiert (Bild: OECD)

Mehr Diskriminierungserfahrungen als vor zehn Jahren

Umgekehrt berichteten demnach 58 Prozent von 140.000 befragten LGBTI+ Menschen von Diskriminierungserfahrungen innerhalb eines Jahres vor der Befragung. Dies waren zehn Prozentpunkte mehr als 2012, damals allerdings bei weniger Befragten.

Gut ein Drittel (36 Prozent) berichtete in der aktuellen Befragung von gewalttätigen, teils auch sexualisierten Übergriffen oder entsprechenden Drohungen mit Gewalt innerhalb der zurückliegenden fünf Jahre. Auch hier wurde eine leichte Zunahme registriert.

Die allgemeine Zufriedenheit von queeren Menschen war demnach um zehn Prozent niedriger als im Durchschnitt der Bevölkerung. Zugleich litten sie häufiger unter psychischen Problemen.

Lücken im Antidiskriminierungsrecht

Positiv bewertet wurden in der Studie Anstrengungen zur Gleichstellung von LGBTI+ in der Rechtsordnung. Allerdings gebe es auch weiter Handlungsbedarf. So sei das Diskriminierungsverbot aufgrund der sexuellen Orientierung noch nicht im Grundgesetz verankert, es gebe hier auch noch Lücken im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG).

Weiter angemahnt werden die automatische Anerkennung der Elternschaft von Partnerinnen eines lesbischen Elternteils mit Kind, das Selbstbestimmungsrecht hinsichtlich der Geschlechtszuordnung sowie Liberalisierungen im Namensrecht insbesondere bei einem Wechsel dieser Zuordnung.

Kritisiert wird in der Studie, dass die Bundesländer ihre rechtlichen Möglichkeiten für mehr Gleichstellung hinsichtlich der sexuellen Orientierung nicht ausschöpfen würden. Als positive Ausnahme wird hier das Landesantidiskriminierungsgesetz in Berlin genannt, das der Wahlgewinner CDU aber wieder abschaffen will (queer.de berichtete).

Deutschland steht im europäischen Vergleich gut da

Im europäischen Vergleich wird die LGBTI+-Inklusivität in Deutschland als vorwiegend überdurchschnittlich eingestuft, anders als noch vor wenigen Jahren. Dies verstärkt sich, wenn aktuelle Daten für das Jahr 2021 einbezogen werden.

Der LGBTI+-Anteil in der deutschen Bevölkerung ist der Studie zufolge nur schwer genau bestimmbar. Verwiesen wird auf eine Ipsos-Studie aus dem Jahr 2021, die von 14 Prozent der Bevölkerung ausgeht, die sich selbst als nicht ausschließlich heterosexuell einstufen (elf Prozent) oder deren eigene Geschlechtszuordnung nicht mit der in ihrem Geburtsregister eingetragenen übereinstimmt (drei Prozent). In anderen Studien werden allerdings auch niedrigere Prozentzahlen genannt. (AFP/cw)