Hier folgt das Interview der LBZ-Zeitschrift. Das ganze Interview können Sie auch hier als PDF downloaden: Interview Alexander Schweitzer_Zeitschrift Landesbibliothekszentrum
LBZ-Zeitschrift: Herr Ministerpräsident, das Bündnis „Demokratie gewinnt“ ist seit einigen Jahren in Rheinland-Pfalz aktiv. Wie kam es dazu – und warum ist es für unsere Gesellschaft wichtig?
Alexander Schweitzer: Die Wurzeln des Bündnisses „Demokratie gewinnt!“ reichen zurück bis in die frühen 2000er Jahre, als Rheinland-Pfalz Teil des Bund-Länder-Programms „Demokratie lernen & leben“ war. Damals haben wir begonnen, Schulen als demokratische Lern- und Lebensorte neu zu denken. Daraus erwuchs der landesweite Demokratie-Tag, zunächst als schulische Fachveranstaltung, dann Jahr für Jahr thematisch breiter, vielfältiger, bunter. Spätestens mit der großen Veranstaltung 2012 im Landtag wurde klar: Das ist mehr als Pädagogik, das ist ein landespolitisches Forum für Demokratieentwicklung.
2017 hat meine Vorgängerin Malu Dreyer deshalb den Impuls gegeben, aus den Partnerinnen und Partnern dieses Tags ein dauerhaftes Netzwerk zu machen. So entstand das Bündnis „Demokratie gewinnt!“. Es vereint staatliche und kommunale Institutionen, Kirchen, Verbände, Vereine, Unternehmen, Hochschulen und Medien. Jede und jeder bringt seine Stärken ein, und gemeinsam zeigen wir Haltung – für Vielfalt, Offenheit, Akzeptanz, gegen Extremismus und Spaltung.
In diesem Jahr feiern wir den 20. Demokratie-Tag Rheinland-Pfalz, ein Jubiläum, das bundesweit seinesgleichen sucht. Kein anderes Bundesland hat so konsequent über zwei Jahrzehnte hinweg ein solches Format aufgebaut, das Kinder, Jugendliche, Bildungsinstitutionen und die Zivilgesellschaft auf so direkte Weise einbezieht. Dieser Tag ist ein sichtbares Zeichen dafür, dass Demokratie keine Randnotiz, sondern eine dauerhafte Zukunftsaufgabe ist.
Das Landesbibliothekszentrum heiße ich im Bündnis „Demokratie gewinnt!“ herzlich willkommen. Ich bin überzeugt, dass es eine große Bereicherung ist, denn Bibliotheken sind Orte der Begegnung, der Teilhabe, Orte der Demokratie.
LBZ-Zeitschrift: Wie sehen Sie den Zustand der Demokratie in Rheinland-Pfalz?
Alexander Schweitzer: Unsere Demokratie ist stark, aber sie ist bedroht und keine Selbstverständlichkeit. Wir erleben Polarisierung und auch den Versuch, gesellschaftliche Unterschiede gegeneinander auszuspielen. Gleichzeitig verfügen wir über eine lebendige, engagierte Zivilgesellschaft. Gerade in Rheinland-Pfalz prägt eine Kultur des Ehrenamts und Mitmachens unser Zusammensein.
Für mich ist entscheidend: Demokratie richtet sich nicht nach Wahlterminen. Sie ist eine Gesellschaftsform. Sie prägt unseren Alltag, die Art, wie wir miteinander umgehen, Konflikte austragen, Verantwortung teilen. Und sie verpflichtet, auch den Blick auf die kommenden Generationen zu richten.
Demokratie lebt von Demokratinnen und Demokraten. Daher ist es auch das Kernanliegen des Bündnisses: Kinder sollten so früh wie möglich erleben, dass ihre Stimme zählt. Demokratie-Lernen darf dabei nicht nur auf Lehrpläne begrenzt sein. Es ist eine Aufgabe des lebenslangen Lernens für alle, übrigens auch für uns Politikerinnen und Politiker. Und dazu gehört unbedingt, Kompromissfähigkeit zu erlernen. Kompromisse tun uns allen gut, weil sie zeigen: Zusammenleben gelingt nicht durch Durchsetzen, sondern durch Ausgleich.
LBZ-Zeitschrift: Welche Rolle haben Bibliotheken in diesem Prozess?
Alexander Schweitzer: Bibliotheken sind Werkstätten dieser demokratischen Gesellschaftsform. Sie bewahren Wissen, machen es frei zugänglich und schaffen Räume, in denen Begegnung selbstverständlich ist. In diesem Sinn sind sie klassische „Dritte Orte“: Orte jenseits von Zuhause und Arbeitswelt, in denen Menschen zusammenkommen, unabhängig von Herkunft, Status, Alter oder Bildung.
Gerade diese Offenheit macht Bibliotheken zu leisen, aber starken Säulen der Demokratie. Wer sich dort Wissen erschließt, Texte liest, andere Perspektiven entdeckt, lernt Respekt und Toleranz. Und Kinder erfahren möglicherweise zum ersten Mal: Meine Stimme, meine Frage wird ernst genommen. Ich zähle. Das ist gelebte Demokratie.
LBZ-Zeitschrift: Was können Bibliotheken und ihre Teams konkret tun, um die Zivilgesellschaft in Rheinland-Pfalz zu stärken?
Alexander Schweitzer: Bibliotheken können Foren für demokratische Erfahrung sein. Sie können Lesungen und Diskussionen anbieten, aktuelle Themen sichtbar machen, Medien- und Informationskompetenz vermitteln – das alles stärkt die Zivilgesellschaft. Vor allem aber verkörpern die Teams diese Haltung selbst: Sie sind Gastgeberinnen und Gastgeber einer Kultur des Respekts, der Offenheit und des Zugangs für alle.
In einer Zeit, in der Desinformation und Polarisierung wachsen, leisten Bibliotheken damit einen unverzichtbaren Beitrag, das Fundament unserer Demokratie stark zu halten.
Ich möchte die Bibliotheken ausdrücklich einladen, sich an unserem landesweiten Demokratie-Tag zu beteiligen. Diese große Plattform der Demokratie lebt von Vielfalt. Jede Bibliothek kann dort ihre Rolle als Dritter Ort, als Ort demokratischer Alltagserfahrung, sichtbar machen. Das würde das Bündnis bereichern und zugleich die wichtige Arbeit der Bibliotheken stärker ins öffentliche Bewusstsein rücken.
LBZ-Zeitschrift: Was ist Ihre zentrale Botschaft an die Bibliotheken des Landes?
Alexander Schweitzer: Demokratie ist eine Gesellschaftsform, und wir alle bestimmen darüber, wie wir sie füllen. Die freiheitlichen Werte, die das Grundgesetz in seinen ersten Artikeln verankert, sind ein klarer Kompass. Aber wie wir sie leben, hängt von uns ab. Bibliotheken sind Häuser, in denen dies spürbar wird: Wissen wird geteilt, Vielfalt anerkannt, Dialog ermöglicht.